Spaziergang & Freizeit





Petra im Gradierwerk

Jeden Tag spazierten wir mit unserer Gruppe und der Tante. In Zweierreihen hielten wir uns an der Hand und zogen singend durch den Ort. Die Tanten achteten darauf, dass wir ordentlich gehen und keiner von uns unterwegs verloren geht. Wichtig ist, dass wir alle ordentlich liefen und zusammenblieben. Mit fremden Leuten durften wir nicht sprechen. Untereinander flüsterten wir manchmal mit unseren Nachbarn. Ich genoss diese Zeit mit Maria sehr. Unterwegs sangen wir immer Lieder, manchmal „Das Wandern ist des Müllers Lust“, das ist mein Lieblingslied. Manchmal waren es auch Kirchenlieder. Ich habe viele neue Lieder kennengelernt. Oft sahen wir andere Kinder, die auch in Zweierreihen durch den Ort gingen.

Wir liefen auf dem freien Feld, im Kurpark und bei jeder Runde mindestens einmal durch das Gradierwerk. Maria mochte das nie, denn sie hat sich im Gradierwerk, einem riesigen alten Holzgerüst, über das salziges Wasser läuft, immer gegruselt. Dort ist es dunkel, feucht und einfach unheimlich. Ich mochte es immer gerne, denn die Luft dort roch irgendwie ganz besonders. Leider gab es auf unserer Station nicht viele Spielsachen, mit denen wir uns beschäftigen konnten. Oft waren wir draußen im Garten und haben „Der Plumpssack geht um“ und andere Kreisspiele gespielt. Rennen, Toben und mit Fantasie spielen, wie ich das von daheim kannte, gab es nie. Bei schlechtem Wetter hat die Tante uns Geschichten vorgelesen, was ich immer sehr mochte.

 

Hintergrund: Der Tagesablauf der Kinder folgte einem strengen Zeitplan, den die einzelnen Gruppen einhalten mussten. Alle Aktivitäten wurden in den Gruppen durchgeführt, in die die Kinder zum Anfang eingeteilt wurden. Historische Dokumente belegen, dass es in vielen Einrichtungen trotz aller Bemühungen an Spielzeug für bestimmte Altersgruppen mangelte. Stattdessen wurden viele geführte Gruppen- und Kreisspiele durchgeführt, wie z.B. „der Plumpssack geht um“. Freies Spiel gab es nur selten. Zum Kuren gehörten regelmäßige Spaziergänge an der frischen Luft oder am Gradierwerk. Selten führten die Spaziergänge in den Ort oder in den Kurpark. In vielen Verträgen zwischen den Kinderkureinrichtungen und der Badeverwaltung ist genau festgehalten, ob und zu welchen Konditionen die Kinder die Kureinrichtungen wie Bänke und Wege, nutzen dürfen. In vielen Kuren gab es ein „Bergfest“, mit dem die Hälfte der Kurzeit gefeiert wurde. Vereinzelt boten die Heime den Kindern Ausflüge zu Sehenswürdigkeiten an. Viele Bad Sassendorfer Heime besuchten mit ihren Kindern den Möhnesee.